Als ich neulich in einem Kreis anderer Mütter erzählte, dass ich drei Teenager zu Hause habe, wurde ich gleich bedauert. Es kamen Kommentare wie „Oh Gott, gleich drei Teenager, du Arme!“ und ähnliches. Ich konnte gar nichts wirklich darauf erwidern, denn ich persönlich finde Teenager ganz und gar nicht „schlimm“ oder anstrengender als Kinder in anderem Alter. Sind Teenager wirklich so schlimm, wie wir sie machen?
Wie sind Teenager
Da meine eigenen Teenager scheinbar pflegeleichter als „herkömmliche“ Teenager sind, habe ich mich mal im Internet auf die Suche begeben, was das klassische Bild eines Teenagers in der Gesellschaft ist. Unter der Überschrift Pubertät: 24 Anzeichen für einen Teenager im Haus fand ich bei stern.de eine sehr gute Zusammenfassung dazu, wie „der Teenager“ ist.
Kurz gesagt ist das Bild des typischen Teenagers, das dort gezeichnet wird, aus meiner Sicht wirklich extrem negativ. Sie stinken, sie räumen nicht auf, sie essen ständig, sie haben Pickel, sie nerven, sie beantworten deine Fragen nicht, sie sind permanent im Bad, sie sind permanent online, sie hinterlassen Chaos in der Küche, sie gehen nicht raus…
Hast du so einen Teenager zu Hause? Vielleicht habe ich Glück, denn meine Teeanger sind ganz anders. Klar, sie essen permanent, schließlich verbrauchen sie auch sehr viel Energie, aber in allen anderen Punkten kann ich diesem negativen Bild so gar nicht zustimmen.
Teenager und ihre Rolle
Gerade im Dezember hatte ich als Leseempfehlung den wirklich guten Artikel von Nicola Schmidt darüber verlinkt, wie wir mit unserer Sprache Rollen zuweisen und Rollen schaffen. Das ist, denke ich, auch ein großer Punkt dabei, wie wir Teenager sehen und wie sie sich tatsächlich verhalten.
Sie erfüllen nur unsere Erwartungen an sie und sie erfüllen die Rolle, die wir unter „Teenager“ für uns abgespeichert haben. Wir weisen ihnen diese Rolle zu, wir erwarten insgeheim, dass es schwer wird mit ihnen umzugehen – und weil Kinder ihren Eltern gefallen wollen, erfüllen sie natürlich auch nur allzu gerne unsere Erwartung an sie als typische Teenager und nehmen diese Rolle an.
Rebellische Teenager
Oft höre ich, Teenager müssen sich von ihren Eltern abnabeln und dazu sei ein gewisser Grad an Rebellion nötig. Ja, Teenager müssen sich abnabeln. Sie müssen lernen, eigene Entscheidungen treffen zu können. Sie „hören nicht mehr auf uns“, sondern gehen ihren eigenen Weg. Manchmal erwischst du sie auf dem falschen Fuß und dann antworten sie pampig. Für mich stellt sich dabei immer die Frage: Gegen was muss so ein Teenager rebellieren?
Das ist der Punkt, an dem du als Mutter oder Vater gefragt bist. Nein, du sollst ihnen nicht alles erlauben, das ist auch im Sinne von Attachment Parenting falsch. Im lesenswerten Artikel Warum Eltern nicht mit Teenagern klarkommen auf stern.de schreibt die Autorin: „Erwachsene hören nicht gern, dass nicht die Teenager das Problem sind, sondern deren Eltern, denen es schwerfällt, mit dem rotzfrechen, leicht reizbaren und streitlustigen Nachwuchs umzugehen.“
Dieser Satz gefällt mir ausgesprochen gut. Denn dass Teenager sich nun einmal altersgerecht verhalten, dass sie sich abnabeln müssen, dass sie erwachsen werden müssen und ihren ganz eigenen Weg finden, daran wirst du nichts ändern können. Aber du kannst etwas daran ändern, wie du damit umgehst und wie deine Einstellung zu deinem Kind und dessen Verhalten ist.
Die Frage ist immer, wie wir Erwachsenen mit diesem ganz natürlichen Prozess umgehen. Wir können unseren Teenager zum Kampf herausfordern. Wir können ihre Bemerkungen und ihren Ton persönlich nehmen. Oder wir nehmen es gelassen hin als das, was es ist: Ihr Weg, sich abzunabeln und ihre Möglichkeit, ihren eigenen Weg zu gehen.
Viel oder wenig Rebellion
Je mehr Einschränkungen dein Teenager im Alltag erlebt hat und noch erlebt, desto stärker wird er dagegen rebellieren müssen. Es geht nicht darum, ihm alles „durchgehen“ zu lassen. Erklär ihm, warum die Einschränkung gerade notwendig ist. Klar, auch das Verständnis für deine Situation und für die Erklärung wird ein paar Anläufe brauchen, aber dein Teenager wird lernen zu verstehen, warum es manchmal nicht nach seinem Willen gehen kann.
Hier gilt auch: Je mehr Regeln es in deinem Haushalt gibt, desto mehr Rebellion kannst du erwarten. Auch das Erklären der geltenden Regeln ist daher notwendig. Legt am besten ein paar für euch alle wichtige Regeln gemeinsam und in Absprache fest. Traue deinem Teenager dabei ruhig eine eigene Meinung zu und nimm ihn oder sie unbedingt ernst. Kommunikation auf Augenhöhe ist ganz wichtig. Eure gemeinsam vereinbarten Regeln sollten dann aber auch für alle Familienmitglieder gelten: Darf während des Essens nicht aufs Handy geschaut werden, gilt das auch für den vielbeschäftigten Papa!
Attachment Parenting mit Teenagern
Im oben genannten Artikel steht auch wörtlich, dass Eltern genau die Teenager bekommen, die sie verdienen. Denn wie du dein Kind von klein auf erziehst und behandelst, beeinflusst in starkem Maße, wie rebellisch dein Teenager sein wird. Dabei ist dir von Anfang an Attachment Parenting eine große Hilfe. Du sollst aber natürlich nicht deinen Teenager stillen und tragen und auch das Familienbett wird dein Teenager sicherlich nicht mehr so richtig gut finden. Aber AP legt den Grundstein für den Umgang mit Teenagern, indem wir weiterhin auf die Erfüllung ihrer Bedürfnisse achtgeben, ohne unsere eigenen Bedürfnisse zu missachten.
„Wie schaffen wir es, in den Teenager-Jahren unserer Kinder ebenso ihre realen emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen wie in ihrer Babyzeit? Die einfühlsamen Strategien, die uns Dr. Sears mit AP an die Hand gibt, helfen uns dabei. Das heißt nicht, dass wir unsere Teenager in Tragetüchern herumtragen sollen! Es bedeutet, dass wir die starke Bindung, die unsere Kinder an uns haben, sichern und nähren sollen. Attachment Parenting International (API) schreibt „Attachment Parenting fordert uns heraus, unsere Kinder mit Güte, Respekt und Würde zu behandeln und unsere Interaktion mit ihnen als Rollenmodell anzusehen dafür, wie wir uns wünschen, dass sie mit anderen umgehen.“ Genau das ist es, was wir als Eltern von Teenagern tun sollten.“ (Aus meinem Artikel Attachment Parenting mit Teenagern)
Deine Bedürfnisse, meine Bedürfnisse
Attachment Parenting hält dich von Beginn an dazu an, sowohl deine eigenen Bedürfnisse als auch die Bedürfnisse deines Kindes zu beachten. Je kleiner ein Kind, desto wichtiger sind seine Bedürfnisse gegenüber deinen. Wird dein Kind größer, lernt es, dass auch deine Bedürfnisse wichtig sind und es mit seinen Bedürfnissen manchmal zurückstecken muss. Im Laufe der Zeit gleicht sich das immer wieder aus, mal ist das aktuelle Bedürfnis deines Kindes wichtiger, mal deines. (Beachte dabei bitte: Es geht um Bedürfnisse, nicht um Wünsche! Den Unterschied erfährst du hier.)
Dein Teenager hatte also schon viele Gelegenheiten, seine Bedürfnisse auszuleben – und auch Gelegenheiten, seine Bedürfnisse zurückstellen zu lernen. So sollte es eigentlich im Teenageralter möglich sein, auf einem nicht-angreifenden Niveau klarzustellen, wessen Bedürfnis gerade warum das wichtigere ist. Klar, du könntest es deinem Teenager auch verbieten, dieses oder jenes zu tun. Aber: Ich persönlich halte nichts von Verboten, ich versuche immer, meinen Teenagern zu erklären, warum sie dies oder das gerade nicht machen dürfen oder sollen.
Ein Beispiel
Mein Sohn war ein paar Tage wegen einer starken Erkältung krankgeschrieben. Er wollte dennoch gerne abends zu seinen Kumpels gehen. Ich verstand sein Bedürfnis und sagte ihm das auch. Ich sagte ihm aber ebenso, dass ich es nicht richtig finde, wenn er nicht fit genug ist, am kommenden Tag in die Schule zu gehen, sich aber fit genug fühlt, abends mit seinen Kumpels abzuhängen.
Er ginge nur nicht in die Schule am nächsten Tag, weil er da von der 1. bis zur 10. Stunde durchgehend Unterricht hätte. Auch in diesem Punkt habe ich ihm klargemacht, dass ich das absolut nachvollziehen kann, ich habe ihn aber auch darum gebeten, meine Argumente gegen das Weggehen nachzuvollziehen. Ich habe ihm nicht wirklich verboten, wegzugehen, sondern ihm erklärt, warum es besser ist, zu Hause zu bleiben. Er blieb dann auch, grummelte kurz, aber direkt im Anschluss war alles okay.
Die Diskussion lief ohne laute Worte und ganz entspannt ab. Das ist natürlich auch Übungs- und Gewöhnungssache. Noch vor ein paar Jahren wäre er total ausgeflippt, hätte sich erst eine Weile zurückgezogen und wäre erst dann wieder für eine ruhige Diskussion zugänglich gewesen. Wir haben gerade an diesem Punkt sehr viel gemeinsam gearbeitet und Bedürfnisse gegeneinander abgewogen. Wenn er das Bedürfnis hatte, seine Wut rauszulassen (lautes Knallen der Tür), dann durfte er das beispielsweise.
Sind Teenager nun wirklich so schlimm?
Vielleicht habe ich einfach großes Glück mit meinen Kindern. Oder meine Kinder sind einfach ganz besondere Kinder und sehr handzahme Teenager. Möglicherweise habe ich vieles richtig gemacht in ihren Baby- und Kinderjahren. Vielleicht liegt es auch an meiner vollkommen entspannten Einstellung zu ihrem Verhalten. Jedenfalls empfinde ich (meine) Teenager als überhaupt nicht anstrengend und als überhaupt nicht schlimm.
Wir schaffen es als Familie sehr gut, unsere individuellen Bedürfnisse gegeneinander abzuwägen. Wir haben schon vor langer Zeit eingeführt, dass beispielsweise „Beweise beseitigt“ werden. Wer sich also was kocht oder ein Brot macht, räumt das Chaos wieder auf. Meistens klappt das ohne einen extra Hinweis darauf, ansonsten reicht einmaliges Drumbitten. Zimmer aufräumen ist für alle Kinder ein großes Thema. Zur Not hilft es, wenn man mit gutem Beispiel vorangeht oder kurz mit anfasst. Dass sie täglich duschen, kam bei uns von ganz alleine.
Und pampige Antworten? Habe ich weitgehend ignoriert. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie oft mir als Teenager damals einfach etwas in einem vollkommen anderen Ton rausgerutscht ist, als es eigentlich gedacht war. Sie können also oft nichts dazu. Ich habe es daher gut ignorieren können oder einfach kurz ruhig gesagt, dass der Ton gerade daneben war.
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In einem Gastbeitrag von Joanna Goetz erfährst du, welche Ideen sie hat, um ihren Teenagern zu zeigen, wie sehr sie sie liebt: How to…spread love to your teenager
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