In den USA, aber auch in den Niederlanden füttern Eltern ihr Kind nach Plan, ja sie kommunizieren, spielen und schmusen sogar „nach der Uhr“, um ihm zu erlernende Strukturen vorzugeben. Diese wiederum sollen seine möglichst frühe Selbstständigkeit erleichtern und somit das Risiko für zu viel Abhängigkeit verringern. Mittels dieses Erziehungsplans soll das Kind in die Lage versetzt werden, sich gleichsweise früh allen beruhigen und beschäftigen zu können, sich allein anzuziehen, selbstständig zu essen, sich problemlos zeitweilig von den Eltern zu trennen und mit anderen Kontakt aufzunehmen, die ihm neue Anreize bieten. Frühe Selbstständigkeit macht sicher, ist die Idee.
Attachment Parenting steuert das Ziel kindlicher Selbstständigkeit an.
Entwicklungswissenschaftler bevorzugen dagegen Attachment Parenting, einen Ansatz, der auf völlig anderem Wege das Ziel kindlicher Selbstständigkeit ansteuert. Die wichtigsten Ideen hierzu basieren auf der Bindungstheorie. Das Förderungsmodell geht von einem bewusst aufeinander abgestimmten, kontaktintensiven Beziehungsaufbau zwischen Kind und Eltern aus, der langsam in die von Kind selbst initiierte Selbstständigkeit überwechselt. Der Lebensstart ist durch viel Nähe, wenige Trennungen, langes Stillen nach Bedarf, Tragen, gemeinsames Schlafen, kurze Beruhigungslatenz, emotionale Ansprechbarkeit und eine zugewandte, liebevolle Erziehung geprägt. Nicht das unabhängige Kind wird angestrebt, sondern das Kind, das die Bedeutung von Gemeinsamkeit erlebt, die Kraft der Interaktion und des Dialogs kennt und deshalb gegenseitige Abhängigkeit (Interdependenz) zu schätzen weiß. Über eine gute Bindung zu verfügen und mit körperlicher Nähe und Aufmerksamkeit verwöhnt zu werden, ist eine Erlebnissituation, die nicht als einschränkende Abhängigkeit verstanden, sondern genossen und als gestaltbarer Freiraum gesehen wird, der erst Aktivwerden und „Autonomie in Verbundenheit“ möglich macht.
Quelle:
wissen kompakt/spezial „Vom Säugling zum Schulkind – Entwicklungspsychologische Grundlagen“
Gabriele Haug-schnabel, Joachim Bensel
kindergarten heute, Herder Verlag, 10. Auflage 2011, S. 15-16
Schreibe einen Kommentar