Die vierte Folge des Attachment Parenting Podcast beschäftigt sich damit, ob man Babys weinen lassen sollte oder eher nicht. Dazu habe ich Julia Dibbern als Interviewgast gehabt. Vielen Dank!
Der Titel des Jingles ist von Razvan Veina und heißt Piano Jams.
Auch dieses Mal wieder: Viel Spaß beim Anhören!
Du liest lieber statt zu hören? Unten findest du den Podcast als Blogbeitrag.
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Transkript
Hallo, hier ist Bianka von attachment-parenting.de.
Ich begrüße euch zu meinem ersten Live-Podcast und hier bei mir, über das Internet wundervoll verbunden, ist Julia Dibbern. Vielleicht stellst du dich einfach kurz selbst vor.
Ja, hallo, hier ist Julia Dibbern. Ich bin die Autorin von „Geborgene Babys“. Inzwischen hab ich noch ein paar mehr kleine Büchlein auf den Weg geschickt und mit meiner Kollegin Nicola Schmidt das artgerecht-Projekt gegründet. Ich freu mich ganz besonders, dass ich heute hier sein kann bei dir, Bianka.
Ja, also ich freu mich auch total, dass das geklappt hat, dass wir uns endlich mal zusammengefunden haben, wenn’s auch nur virtuell ist.
Wir werden heute ein bisschen über ein Facebook-Zitat auf deiner Autorenseite reden, was ziemlich oft geteilt worden ist und eine ziemliche Diskussion ausgelöst hat. Es geht um das Facebook-Zitat, was anfängt mit „Wenn ein Baby allein in der Nacht weint…“ Vielleicht magst du’s kurz selber zusammenfassen mit deinen eigenen Worten nochmal, das fände ich ganz nett.
Das ist eigentlich ein Zitat aus „Geborgene Babys“ und da geht es eben darum, dass man ein Baby nicht schreien lassen sollte, weil es, wenn es da liegt in seinem Bettchen eben nicht weiß, dass nur drei Minuten vergehen oder fünf. Ein Säugling hat kein Zeitgefühl. Und für ihn bedeutet das einfach, dass er verlassen ist. Und wenn man uns jetzt mal in den Dschungel zurückpackt – denn wir haben uns ja zwar in der Außenwelt weiterbewegt, aber genetisch sind wir ja noch Dschungeltiere sozusagen – dann würde das bedeuten, dass er wirklich da allein und verlassen ist und dem Fressen preisgegeben ist und das weiß er instinktiv. Und deswegen sollte man ihn nicht schreien lassen. Weil wenn er dann doch einschläft, er eben nicht etwa verstanden hat, hey super, Mama und Papa möchten jetzt mal Ruhe haben oder Mama und Papa haben den falschen Ratgeber gelesen, sondern weil er einfach wirklich Angst hat und wenn er einschläft, dann ist er einfach nur schlicht und ergreifend erschöpft.
Okay. Meine Meinung dazu kennst du. Jetzt gab’s ja ziemlich viele Diskussionen auf der Facebook-Seite, wo dann auch Sachen gekommen sind wie „Die brauchen das für die Lungenentwicklung“ oder … keine Ahnung. Irgendjemand hat sich auch an dem Wort Todesangst, das das Kind ausstehen muss, aufgerieben. Es kam aber auch relativ viel Positives, was dann in die Richtung ging, man muss mehr auf seine Intuition und sein Bauchgefühl hören und die Babys, wenn sie weinen, entwickeln sie Bindungsängste und Verlassensängste. Was ist denn deine Meinung dazu, was kannst du uns denn dazu noch so sagen?
Das waren ja jetzt eigentlich schon drei Punkte. Erst mal ist das mit der Lunge natürlich sehr niedlich, dass Schreien angeblich die Lunge stärken sollte. Die meisten Menschen, die sich irgendwie ein bisschen damit beschäftigen, wissen, wo diese Mär herkommt. Die kommt aus dem Dritten Reich, als propagiert wurde, dass man Babys alleine schreien lassen sollte, und zwar gezielt. Einfach mit dem Ziel, dass man möglichst harte Menschen dadurch heranzieht und möglichst leicht lenkbare harte Soldaten erzeugt. Also schon damals wusste man, dass das bestimmte Auswirkungen hat. Und inzwischen gibt es einfach unglaublich viel Forschung dazu. Wenn man sich zum Beispiel mal die Zeitschrift für – Moment, ich muss das ablesen, das ist so kompliziert, der Name – Zeitschrift für Psychotraumatologie und Psychologische Medizin zu Gemüte führt, da gibt es artikelweise über Entstehung von Bindungsstörungen und alles Mögliche. Und wirklich auch seitenweise Quellen, Zitate, Studien dazu, dass eben dieses Schreienlassen mehr oder weniger große Schäden natürlich hervorruft.
Man muss da auch immer ein bisschen differenzieren, also Schreienlassen ist ja nicht gleich Schreienlassen. Das find ich auch immer wirklich ganz hübsch. Die Argumentation „Aber wenn ich in der Dusche bin und das Schreien vielleicht nicht gleich höre, dann muss der Säugling ja auch schreien und deswegen kann ich ihn ja auch gleich abends schreien lassen.“ Das ist so ungefähr wie „Falls ich’s mal nicht rechtzeitig schaffe einzukaufen, dann muss der Säugling ja auch Hunger haben und deswegen kann ich ihn ja auch jetzt gleich mal präventiv verhungern lassen.“ Also das passt für mich nicht so richtig.
Ich weiß deinen zweiten Punkt nicht mehr…
Mein zweiter Punkt war Intuition und Bauchgefühl, auf die man wieder mehr hören sollte…
Ja, das hab ich ganz viel geschrieben in meinem Buch „Geborgene Babys“, da hab ich viel von der wilden Urmutter in mir geschrieben und ich empfinde das für mich tatsächlich auch immer noch genauso und viele andere empfinden es auch. Nur wir müssen dabei eben auch sehen, dass unser Bauchgefühl auch von unseren Erfahrungen geprägt wird und von dem geprägt wird, was unsere Gesellschaft vorgibt. Und das ist bei uns an ganz viele Stellen eben schon ein bisschen schräg durch unsere Vergangenheit über Generationen hinweg. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir uns einfach eine Umgebung suchen, die uns unterstützt und die uns hält und trägt und wenn wir sie nicht direkt in der Familie finden, dann müssen wir einfach zusehen, dass wir Freunde finden, die uns in unserer Richtung, die wir mit dem Baby und mit den Kindern gehen wollen, unterstützen. Das finde ich ganz wichtig.
Also, meine Erfahrung zeigt auch, dass ein unterstützendes Umfeld absolut wichtig ist, weil im normalen Umfeld wird man dann einfach sehr oft als Übermutter dargestellt. Wie ist denn da deine Erfahrung?
Also, das Wort Übermutter fällt natürlich ganz besonders gerne. Dabei ist es ja nun wirklich nicht übermutterig, wenn man auf das Weinen seines eigenen Babys reagiert. Und Stillen ist auch nicht öko, sondern Stillen ist schlicht und ergreifen das, was Menschen tun. Menschenkinder trinken Menschenmilch. Also, es ist nicht irgendwie besonders alternativ, wenn man auf die Biologie seines Kindes achtet, sondern es ist schlicht das, was unserer Spezies als Mensch entspricht, es ist das, was uns artgerecht ist. Insofern kann ich da inzwischen nur noch müde lächeln, wenn jemand sagt Übermutter. Mein Gott, jedem seine Meinung.
Ich hatte auch einen ganz niedlichen Kommentar auf meiner Webseite, wo es darum ging, dass SO alternativ ja nun wirklich überhaupt keine Erziehung sein könnte, wie das in „Geborgene Babys“ beschrieben ist. Also das geht gar nicht, so alternativ kann man das ja gar nicht machen. Und der Witz ist, dass es für uns eigentlich überhaupt gar nicht alternativ ist, sondern für uns ist es einfach das, was logisch ist. Wir sind Menschen und dann sollten wir vielleicht einfach zusehen, dass wir unser Zusammenleben so gestalten, wie es unserer menschlichen Natur entspricht und nicht so, wie es irgendwie in den letzten 100 Jahren, 200 Jahren, 500 Jahren sich so langsam entwickelt hat. Dass es einfach alles sehr industrialisiert worden ist. Und da kann ich eigentlich auch nur mit der Schulter zucken und kann sagen, dass die Wissenschaft genau dem nämlich völlig zustimmt.
Wir wissen aus der Forschung ja, dass Mutter und Kind sehr eng aufeinander abgestimmt sind. Beispielsweise sind die Cortisollevel bei Mutter und Kind relativ gleich und im Normalzustand. Nun ist es so – gibt’s jetzt ne neue Studie. Das heißt, so neu, ich glaub, von 2011 ist sie – wenn man ein Baby schreien lässt, dann ist es erst so, dass beide unheimlich unter Stress sind, Mutter und Kind. Und das ist ja eigentlich auch der Zustand, den die Natur vorhergesehen hat, den die Natur sich wünscht sozusagen. Das ist ja auch der Zustand, den die Natur einfach so erzeugt hat, damit die Mutter eben reagiert auf das Kind, wenn sie selbst unter Stress kommt durch das Weinen. Und dann ist es aber so, hat man jetzt rausgefunden, dass nachdem das Baby aufgehört hat zu weinen tatsächlich die Cortisolwerte bei dem Baby noch hoch bleiben und bei der Mutter fallen sie aber ab, weil das Baby keine Notsignale mehr sendet, weil sich die äußere Situation sich beruhigt hat. Und dadurch gehen Mutter und Kind sozusagen auseinander in ihrer Empfindung. Und die Mutter ist nicht mehr so empfänglich hinterher für die Notsignale ihres Kindes, weil sie eben nicht mehr aufeinander eingestimmt sind. Das fand ich zum Beispiel auch ganz spannend.
Und da gibt es ganz ganz ganz viele Studien, die in diese Richtung zeigen. Und ich find, das muss man einfach nicht machen, also man kann ja einfach auf sein Kind eingehen, das ist angenehmer für alle Seiten, es ist freundlicher für alle Seiten und man bricht sich ja nichts ab damit.
Ja, und deswegen kann ich halt echt immer nur wieder sagen, sucht euch irgendwie ein unterstützendes Umfeld, das ist so was von essentiell, damit ihr nicht das Gefühl habt, ihr seid da völlig allein auf weiter Flur mit diesen Empfindungen, sondern damit ihr einfach Leute habt, mit denen ihr das teilen könnt.
Für den Zweck wär’s ja echt schön, wenn’s so wie Stillgruppen auch Attachment Parenting Gruppen gäb.
Ja. Gibt es ja auch immer mehr. Das ist einer der Gründe, warum zum Beispiel Nicola Schmidt und ich das artgerecht-Projekt jetzt wirklich sehr forcieren, weil wir diese Notwendigkeit erkannt haben, dass die Menschen so Unterstützung brauchen an dieser Stelle und dass es einfach so gut tut, wenn man als junge Eltern oder auch schon als ein bisschen geübtere Eltern wirklich Rückhalt hat in einer Gruppe von Menschen, mit denen man sich darüber auch austauschen kann. Und da haben wir wirklich auch regen Zulauf und denken, dass das noch richtig was Feines werden kann.
Das klingt super.
Dann hoffen wir jetzt einfach, dass die Leute, die uns zugehört haben oder die zu den artgerecht-Camps und ähnlichen Angeboten kommen, das Wort in die Welt hinaustragen, sich vielleicht auch aufraffen und eine eigene artgerecht- oder Attachment Parenting Gruppe gründen und…
Das wär super!
…und dass einfach viel weniger Babys demnächst sinnfrei weinen müssen.
Ja, das ist ein wunderschönes Schlusswort. Ich danke dir, Bianka, das hat mir viel Spaß gemacht.
Ich dank dir, liebe Julia!
Danke. Tschüss!
Ja, dann sag ich an dieser Stelle noch vielen Dank fürs Zuhören. Wir hören uns wieder, demnächst bei attachment-parenting.de, beim nächsten Podcast oder wir lesen uns im Internet.
Tschüss!
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