Warum auf diesem Blog so lange Ruhe war – oder: Depression ist ein Ar***loch

Die Überschrift erklärt es ja schon fast, zumindest als kurze Zusammenfassung. Doch die Geschichte ist länger und ausführlicher und ich freue mich, wenn du sie ganz lesen magst. Das hilft dir vielleicht auch dabei, Depressionen und andere psychische Erkrankungen insgesamt besser zu verstehen.

Dieser Beitrag fällt mir alles andere als leicht. Es ist einer der persönlichsten Beiträge hier auf diesem Blog. Aber es ist mir ein dringendes Anliegen, meine eigene Geschichte zum Thema Depression öffentlich zu machen.

Depression? Dir geht es doch gut!

Ja, uns allen geht es eigentlich gut. Dir vermutlich genauso wie mir. Nach außen hin habe ich nur wenige Sorgen und man sieht die Depression nur den allerwenigsten Betroffenen an. Es ist nicht so, dass man ganztags im dunklen Zimmer sitzt und heult. Kann schon so sein, muss es aber eben nicht.

Bei mir war es auch nicht so. Die Depression hat sich so leise und sanft herangeschlichen, dass nicht einmal ich selbst sie bemerkt habe. Wie das kam? Gute Frage… Dass ich definitiv ein Kind des Sommers bin, weiß ich schon ewig. Der nasse, kalte, graue, dunkle Winter in Deutschland war noch nie mein Fall. Sommer, Sonne, Kaktus Hitze sind meine Welt. Schon lange habe ich immer ein gewisses Grauen im Herbst vor dem langen Winter. Ich friere oft schon bei knapp unter 20°C, selbst warme Winter sind daher einfach kalt für mich.

Vor ein paar Jahren dann fühlte ich mich mit dem Beginn des Frühjahrs aber nicht so deutlich besser wie sonst immer, wenn der Winter endlich rum war. Ich schob es auf die Frühjahrsmüdigkeit, den Stress, zu viel zu tun, zu wenig Zeit. Das nächste Frühjahr wurde nochmal weniger gut als das zuvor. Es schlich sich eine Dauermüdigkeit in meinem Leben ein, Motivationslosigkeit, Trübsinn (ja, auch ein wenig) und eine gewisse Lebensunlust…

Das Herzensprojekt wird zur Belastung

Schon vor zwei oder drei Jahren hatte ich mit dem Projekt „Attachment Parenting“ innerlich gefühlt abgeschlossen. Ich überlegte, die Seite stillzulegen, das Projekt zu verkaufen. Ich blieb aber weiter untätig, konnte ich nicht aufraffen, wirklich den ersten Schritt zu gehen.

Mein Herzensprojekt „Attachment Parenting“ war für mich zu einer dauernden Belastung geworden. Ich arbeitete sehr viel, um mein Business aufzubauen. Mir fehlte die Zeit für neue Blogposts. Und mir fehlte auch die Lust, die Energie, die Motivation. Das schlechte Gewissen dem Blog gegenüber wurde mein ständiger Begleiter, ich sah doch anhand der Besucherzahlen, dass das Thema Attachment Parenting viele Menschen erreichte und das war doch mein Ziel gewesen.

In einem Coaching 2017 beschloss ich, das Projekt für mich ganz persönlich in eine Schublade zu legen und erst nach einem halben Jahr wieder herauszuholen. Doch das Thema AP verfolgte mich weiter, und wieder und wieder hüpfte das Projekt aus seiner Schublade und rückte sich mir in den Fokus. Wollte es mir damit etwas sagen?

Depression ist ein Ar***loch

Ich bemerkte es nicht, doch schon während des Coachings hatte mich die Depression fest in ihren Fängen. Schleichend verschwand mehr und mehr jegliche Energie, jeder noch so kleine Funken Motivation (egal für welches Projekt). Ich war froh, wenn mir meine Kraft für meinen normalen Alltag reichte und ich gerade mal so das Notwendigste an Aufträgen erledigt bekam. Ich war müde. Meine Batterie war leer – und zwar komplett. Erst im Herbst 2017 schaffte ich es, mich soweit aufzuraffen, dass ich zum Arzt gehen konnte.

Ich habe danach viel Zeit in Wartezimmern verbracht, habe sicher mehrere Liter Blut abgegeben für die verschiedensten Untersuchungen. Ich bekam ein Langzeit-EKG und einen Schlaf-Apnoe-Test – beides eher unangenehm, weil man über Nacht an Geräten hängt. Zum Jahresende hin äußerte mein Hausarzt das erste Mal den Verdacht, es könnte sich um eine Depression handeln. Eine Depression? Ach Quatsch, mir ging es doch soweit gut. Wenn nur endlich diese Müdigkeit weg wäre…

Wieder und wieder wurden Blutwerte untersucht und die Schilddrüse gescannt. Medikation angepasst. Ich bekam wegen meines krassen B12-Mangels wöchentlich Spritzen. (Ich hasse alles mit Nadeln…) Nochmal Blutwerte bestimmt. Alles im grünen Bereich. Ob nicht doch die Depression…?, fragte mein Arzt. Käse, es ist doch nur Müdigkeit, Depression ist doch was anderes.

Am Ende wurde sogar ein MRT vom Bauchraum gemacht, bei dem ich beim Legen des Zugangs für das Kontrastmittel vor Schmerzen fast umkippte. Ergebnis: Ohne Befund. Natürlich. Ich war körperlich also gesund wie nie zuvor. Alle Blutwerte waren im Normbereich, die Medikation der Schilddrüse passte optimal, es war alles in Ordnung. Auf dem Heimweg vom MRT kam das erste Mal der Gedanke „Und wenn es doch eine Depression ist?“ Ich fuhr nach Hause und machte, was ich in solchen Situationen immer mache: Ich lese!

Depression – und nun?

Mir wurde klar: Das Bild, das ich von der Krankheit Depression hatte, war ein vollkommen falsches. Depressive sitzen nicht ganztags zu Hause und heulen. „Die Depression“ äußert sich einfach in vielen kleinen und vor allem unterschiedlichen Facetten. Sie kommt schleichend oder mit Wucht. Sie macht traurig oder auch nicht. Sie nimmt dir aber auf jeden Fall deine Energie und dein klares Denken. Es ist dabei nicht mal so, dass du über die Depression an sich nachdenkst. Die Depression redet dir einfach in jeden Bereich deines Lebens rein.

Dein Kopf denkt ganz kurz sowas wie „Hey, das wär doch mal ein schönes Thema für einen Blogpost“ und die Depression antwortet „Blogpost? Papperlapapp! Wer will das denn lesen? Also, mal seriöslich und unter uns: Wer will überhaupt irgendwas von dir lesen? Besser du schreibst gar nix mehr, du Niete! Leg dich ins Bett! Hast du überhaupt je in deinem Leben was geschafft? Nee, gell!? Ha! Versager!“ Und dein Kopf glaubt das, weil die Depression auch mit chemischen Vorgängen im Gehirn dafür sorgt, dass dein Kopf das glaubt.

In einem Buch las ich dann schließlich den Satz „Eine Depression ist eine Stoffwechselstörung im Gehirn.“ Das machte mir Mut. Stoffwechselstörung, wie bei einer Schilddrüsenunter- oder -überfunktion, das ist doch irgendwie in den Griff zu kriegen. Also her mit den Happy Pills Tabletten. Ich begann mit steigender Dosierung, weil man Antidepressiva „einschleicht“. Erst eine minimale Dosis, dann etwas mehr, dann noch mehr, bis man die erforderliche Dosis erreicht hat, damit der Stoffwechsel im Gehirn wieder flüssig läuft.

Das Problem dabei: Anders als Schmerzmittel schlagen Antidepressiva nur sehr langsam an. Es dauerte mehr als 6 Wochen, ehe ich auch nur eine minimale Veränderung merkte. Auch ein halbes Jahr nach Beginn der Einnahme war es nicht so, dass einfach alles wieder gut gewesen wäre. Ich bat meinen Arzt darum, die Dosierung noch einmal zu erhöhen und inzwischen sieht es so aus, als wäre das jetzt endlich der ausschlaggebende Kick gewesen, den Stoffwechsel in meinem Gehirn wieder ins Lot zu bringen.

Und wie geht es weiter mit der AP-Seite?

Ja, wenn ich das so genau wüsste. Ich kann und will hier nichts versprechen. Ich habe Ideen, aber ich weiß nicht, wie weit meine Kraft reichen wird. Das Thema Attachment Parenting ist immer noch wichtig in meinem Leben, das habe ich auch in den letzten Monaten immer gespürt. So manche Idee wie das Buch mit den besten Texten aus dem Blog habe ich nebenher doch irgendwie umgesetzt bekommen.

Andere Projekte wie die Onlinekurse dümpeln vor sich hin. Zu sehr hat mir die Depression in den letzten Monaten eingeredet, im Bereich AP nicht ausreichend Expertin zu sein, um einen Kurs zu diesem Thema anbieten zu dürfen. Mein Kopf streitet sich da noch immer mit der Depression und ich hoffe sehr, dass am Ende der Kopf gewinnt, auch mit Hilfe der Tabletten.

Wie und wann (und ob) es hier weitergeht, kann ich also noch nicht zu 100 Prozent sagen. Ich hoffe, ich schaffe es in den nächsten Wochen, zumindest ab und an etwas Neues online zu stellen. Ich arbeite mit kleinen Schritten an den schon so lange angekündigten Onlinekursen. Die Depression kichert aber auch im Hintergrund, weil der Sommer ja schon bald vorbei sei und dann käme der tolle, dunkle, feuchte Herbst und ich soll mir bloß nicht einbilden, dass diese kleinen Tabletten es schaffen würden, auch dann noch gegen sie anzukommen.

Daher möchte ich erst einmal nichts versprechen, was ich dann nicht halten kann. Aber ich arbeite dran, die Depression zu besiegen. Depression ist ein Ar***loch und dieses Ar***loch will ich aus meinem Leben wieder vertreiben!

 


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Kommentare

3 Antworten zu „Warum auf diesem Blog so lange Ruhe war – oder: Depression ist ein Ar***loch“

  1. Avatar von Miriam
    Miriam

    Liebe Bianka, danke für deinen Artikel und den Mut ihn zu schreiben. Ich bin auch betroffen und finde, du hast das Wesen der Depression echt gut beschrieben, wie sie sich hinterlistig ins Leben schleicht…
    Ich wundere mich allerdings, dass du ausschließlich Medikamente zur Behandlung nimmst, klar ist es eine Stoffwechselstörung, aber die Auslöser sind ja doch fast immer (auch) psychische Faktoren, insofern ist häugig auch eine Psychotherapie sinnvoll, um die Auslöser (besser) zu verstehen und nicht wieder irgendwann in die Depressions-Falle zu tappen. Es klingt zumindest auch so, dass du Sorgen hast, dass die Tabletten vielleicht nicht ausreichen, vielleicht wäre eine Therapie also nicht schlecht, um das Ar…loch wirklich gründlich zu besiegen… 😉
    Alles Gute wünsch ich Dir :-)!

    1. Avatar von Bianka
      Bianka

      Liebe Miriam,
      danke für deinen Kommentar. Natürlich nehme ich nicht „nur“ Medikamente, sondern mache auch noch einiges anderes. Einfach nur ein paar Pillen einwerfen und denken, selbst wenn ich so weitermache wie bisher, werd ich damit gesund – das wär zwar schön einfach, aber so ist es eben nicht und das weiß ich natürlich auch.
      Im Moment mache ich keine Therapie, aus verschiedenen Gründen, aber auch Therapiesitzungen hatte ich ein paar. Was aber tatsächlich für mich spürbar eine Verbesserung gebracht hat (neben allen kleinen Schritten, die ich noch unternommen habe), war eben wirklich die richtige Dosierung der Medikamente.

  2. Avatar von Mum
    Mum

    Oh Danke! Danke, Danke, DANKE!

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