Beruf oder Berufung?

Beruf oder BerufungEs gibt heute so unendlich viele Möglichkeiten, für welchen beruflichen Weg sich junge Menschen entscheiden können. Oft stellt sich dabei die Frage nach Beruf oder Berufung: Lenke ich meinen Weg in Richtung eines Berufes, der mir eine gewisse Sicherheit bietet? Oder richte ich meinen beruflichen Weg daran aus, was meine Berufung ist, meine Leidenschaft?

Vielleicht war früher ja wirklich alles einfacher, zumindest was die Berufswahl betrifft. Es gab eine Zeit, in der wurde man einfach, was der Vater war. Natürlich nur als erstgeborener Sohn. Die jüngeren Söhne wurden häufig in Klöster gegeben, die Töchter teilweise auch, oder sie wurden das, was wir heute als „nur Hausfrau“ bezeichnen.

Noch vor 50 Jahren gab es nur eine eingeschränkte Anzahl an Studiengängen, die studiert werden konnten. Die Studienwahl war abhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern, von den Berufen der Eltern und ein klein wenig auch von Interessen und Begabungen der Jugendlichen. Wollte, durfte oder konnte man nicht studieren, war die Berufswahl oftmals abhängig von dem, was es vor Ort oder in der näheren Umgebung so an Angebot gab – und manchmal auch davon, welche Beziehungen die Eltern spielen lassen konnten.

Beruf oder Berufung?

Heute gibt es nicht nur gefühlt, sondern auch tatsächlich unendliche Möglichkeiten. (Nahezu) unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern und von deren Netzwerk sowie auch unabhängig vom aktuellen Wohnort kann jeder Jugendliche (theoretisch) seinen Interessen und Leidenschaften folgen. Die Studiengänge, die angeboten werden, sind nahezu unzählbar. Die Ausbildungsberufe haben inzwischen unüberschaubare Maße angenommen. Umso mehr stehen Jugendliche heute vor der Entscheidung zwischen Beruf oder Berufung.

Finde deine Leidenschaft oder…

…deine Leidenschaft findet dich! In diesem Meer der unendlichen Möglichkeiten halte ich persönlich es für überaus wichtig, Jugendliche dabei zu unterstützen, das eine Thema zu finden, für das sie brennen. Erst in zweiter Instanz sollten wir als Eltern dann auch mit unseren Teenagern darüber reden, wie sie es schaffen können, diese Leidenschaft dazu zu nutzen, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Meine ganz persönliche Lebensgeschichte hat mir gezeigt: Wenn du etwas lernst oder studierst, was nicht das Feuer in dir entfacht, wird deine Leidenschaft einen Weg finden, sich durchzusetzen. Wenn du aber das lernst oder studierst, was deine Leidenschaft ist, wirst du immer einen Weg finden, damit zu leben. Erst recht heute, in eben diesem Meer unendlicher Möglichkeiten – nicht nur, was die Ausbildung an sich betrifft, sondern auch, was die spätere Ausübung eines Berufes betrifft.

Kultur des Scheiterns

Was Jugendlichen als Unterstützung bei ihrer Entscheidung zwischen Beruf oder Berufung fehlt, ist meiner persönlichen Meinung nach eine neue Kultur des Scheiterns. Deutschland ist ein verdammt leistungsorientiertes Land, in dem Scheitern als Fehler angesehen wird. Jungen Menschen, die ihrer Leidenschaft folgen und damit erst einmal oder auch auf Dauer auf die Nase fallen, sagen wir Sätze wie „du hast Jahre deines Lebens vergeudet“ oder auch „ich hab es dir gleich gesagt, mit Theaterwissenschaften ist kein Geld zu verdienen“.

Warum ist das so? Warum sehen wir einen Misserfolg, eine Fehlentscheidung, die aus Leidenschaft getroffen wurde, als Fehler an? Warum können wir sie nicht als einen Schritt auf dem Weg ins Leben ansehen? Wer nicht genug Fehler macht, hat nicht genug ausprobiert, sagte mal jemand Schlaues. Unterstützen wir also unsere Teenager dabei, ihre Leidenschaft zu finden und ihren eigenen Weg zu gehen.

Und wenn sie scheitern sollten, haben sie trotzdem etwas gelernt. Sie sind ihrer Leidenschaft gefolgt. Sie sind gestolpert, gescheitert und vielleicht hingefallen. Jetzt helfen wir ihnen dabei, wieder aufzustehen, den Staub abzuklopfen, die Krone zu richten – und einen neuen Weg zu finden.

 


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