Gerade habe ich das Interview im aktuellen Spiegel gelesen. Unter dem Titel „Die Recht Schreip-Katerstrofe“ echauffiert sich Günter Jansen (Grundschulexperte, 73 Jahre alt!) darüber, wie unsere Kinder in der Schule schreiben lernen.
Ich stehe den Methoden, die unter dem Motto „schreiben, wie man spricht“ auf dem Ansatz von Jürgen Reichen aufbauen, auch nicht uneingeschränkt positiv gegenüber lasix pills buy online. Für mich persönlich hat die Anlauttabelle und das freie Schreiben mit allen Kindern gut funktioniert. Die Kids konnten schon früh lesen und schreiben und haben sich das über die Anlauttabellen selbst erarbeitet. Auch das Schreiben kleinerer Texte ging damit super. Und da sie viel gelesen haben – und ich auch von Anfang an immer wieder Tipps gab, wenn etwas falsch war (was man ja bei der Methode eigentlich nicht sollte, aber nun ja) – kam die Rechtschreibung von ganz allein. Allerdings kenne ich auch andere Beispiele, bei denen die Lehrer – ganz nah an der Methode – in den ersten Jahren überhaupt nicht auf Rechtschreibung geachtet haben und die Eltern sich ebenfalls daran gehalten haben und die Rechtschreibung nun im Argen liegt.
„Die Recht Schreip-Katerstofe“
Mich regt nicht so sehr auf, was der Herr Jansen über die Methode an sich sagt. Was ich viel schlimmer und bedeutungsvoller finde, ist folgender Abschnitt:
SPIEGEL: Ein weiteres gemeinsames Merkmal vieler der von Jürgen Reichen inspirierten Verfahren ist, dass sich jedes Kind aussuchen darf, in welcher Reihenfolge es die Buchstaben lernen will.
Jansen: Das ist völliger Unsinn. Es gibt doch strategisch wichtige und weniger wichtige Buchstaben. Allen diesen Methoden gemeinsam ist die maßlose Überschätzung der Kinder! Gerade in den ersten Schuljahren sind Kinder noch auf ein hohes Maß an Unterrichtsführung durch den Lehrer angewiesen.
Maßlose Überschätzung der Kinder??? Angewiesen auf ein hohes Maß an Unterrichtsführung durch den Lehrer??? Mir stellen sich bei diesen Sätzen die Nackenhaare zu Berge!
Ist das so? Überschätzen wir unsere Kinder maßlos? Brauchen Schulanfänger ein hohes Maß an Unterrichtsführung durch den Lehrer? Wie machen das die vielen Unschooler bzw. Homeschooler? Oder anders gefragt: Wie lernen unsere Kinder denn, ehe sie in die Schule gezwungen werden? Ist es nicht ebenfalls (oder eigentlich noch viel viel mehr) maßlose Überschätzung, ein Kind selber entscheiden zu lassen, wann es laufen zu lernen im Stande ist? Wann es bereit dazu ist, erste Worte oder gar erste Sätze zu sprechen? Brauchen Kinder nicht gerade im jungen Altern von 1 oder 3 Jahren ein noch viel höheres Maß an Unterrichtsführung durch die Eltern, als sie es mit dann immerhin schon 6 oder 7 Jahren durch den Lehrer brauchen?
Warum dürfen Kinder durchaus selber entscheiden, wann sie bereit sind, laufen und sprechen zu lernen oder zu lernen, einen Löffel zu benutzen oder eine Tasse, aber sie dürfen ab dem 6. Geburtstag nicht mehr entscheiden, wann sie aufnahmebereit sind für die Grundrechenarten oder für diesen oder jenen Buchstaben?
Brauchen denn Schulanfänger vielleicht nur deshalb ein so hohes Maß an Unterrichtsführung durch den Lehrer, weil die Lehrmethoden einfach nicht zeitgemäß, nicht kindgemäß, nicht gehirngemäß sind? Warum entscheiden denn eigentlich alte Menschen (in diesem Fall 73jährige Experten) darüber, wie die kommende Generation zu lernen hat? Und was sinnvoll ist und was nicht? Und wie kann dieser Mensch sich erdreisten zu behaupten, wir würden allesamt unsere Kinder maßlos überschätzen?
Ich weiß sehr gut, was ich meinen Kindern zutrauen kann und was nicht. Ich merke als Mutter am besten, was sie können, was sie wann brauchen. Unser Kinderarzt sagte immer, nur ich als Mutter allein sei die Expertin für mein Kind, niemand anders kenne mein Kind so gut wie ich. Und ich finde, damit hat er recht!
Meine Tochter war schon mit 9 Monaten bereit, erste freie Schritte zu laufen – mein Sohn erst mit 18 Monaten. Habe ich ihn gezwungen, früher zu laufen? Hätte ich meine Tochter einbremsen sollen?
Meine Tochter aß erst mit über einem Jahr nennenswerte Mengen Beikost, mein Sohn war schon sehr früh ein eifriger Mit-Esser am Tisch. Wo ist das Problem?
Warum sollten dann sowohl mein Sohn als auch meine Tochter nach ihrem 6. Geburtstag plötzlich gleichgeschaltet lernen? Warum nennt Herr Jansen es Überschätzung, wenn man auch Kindern mit 7 oder 9 oder 15 Jahren zutraut, selber entscheiden zu können, wann sie was lernen? Können nicht gerade älter werdende Kinder besser entscheiden, was gerade „dran ist“, als das ein Einjähriger kann?
Verrückte Welt!
Und wie immer frage ich mich, warum wir Eltern uns das gefallen lassen und nicht auf die Barrikaden gehen! ?
Schreibe einen Kommentar