Dayna Martin: Die Freie Familie

Die Freie Familie: … oder die Freiheit über Leben und Lernen selbst zu bestimmen

William Sears, der „Erfinder“ des Attachment Parenting, beschreibt AP als einen „Stil für den Anfang“. Die Werkzeuge, die er für das AP definiert, sind nur auf die ersten Lebensjahre eines Kindes anwendbar. Nicht ohne Grund stellt sich daher für viele die Frage, wie man denn das Attachment Parenting im weiteren Leben mit den Kindern anwenden kann.

In „Die Freie Familie“ schreibt die Autorin Dayna Martin „über die Freiheit über Leben und Lernen selbst zu bestimmen“. Unter dem Originaltitel „Radical Unschooling“ wird sich der Deutsche wenig vorstellen können, können sich doch die meisten nicht einmal mit dem Gedanken an schulfreies Lernen im Homeschooling anfreunden. In 11 Kapiteln beschreibt Dayna Martin, wie ihr Familienleben aussieht und wie Lernen und Zusammenleben für sie funktionieren. Dabei wird zu erst einmal klargestellt, was Unschooling überhaupt ist und welche Unterschiede zu konventioneller Erziehung es gibt. Danach folgen Kapitel über die Werte und Einstellungen, die im Unschooling gelebt werden. Unterbrochen werden die Ausführungen immer wieder durch „Unschooling Momente“, kurze Geschichten aus dem Alltag der Familie Martin.
Die letzten Kapitel befassen sich dann mit dem Thema Respekt dem Partner gegenüber sowie ganz allgemein dem Leben in Bewusstheit und dem Gesetz der Anziehung.

Wer das Buch kauft, erwartet vermutlich – nach Inhaltsverzeichnis und Beschreibung – eine „Anleitung“, wie man das Unschooling in der eigenen Familie leben kann. Welche Reaktion in welcher Situation gut ist, wie man mit den Kindern umgeht und so weiter. Nach den ersten Seiten ist man enttäuscht, denn genau das liefert Dayna Martin nicht. Jedenfalls ging es mir so.

Die meisten Leute kommen zum Radical Unschooling, weil sie mehr vom Leben mit Kindern erwarten als eine konventionelle Eltern-Kind-Beziehung. Sie fühlen instinktiv, sie würden gegen ihre eigene Natur handeln, wenn sie autoritär und strafend mit ihren Kindern umgehen.

Dieses Zitat von einer Seite fast im letzten Drittel des Buches, ließ mich den Inhalt mit anderen Augen sehen. Statt Rezepte und eine Anleitung zu liefern, versucht Dayna Martin uns mit dem theoretischen Grundwissen auszustatten, unsere eigenen Rezepte und Anleitungen zu finden, wie wir das Radical Unschooling in unser eigenes, ganz persönliches Leben einpassen. So wie auch AP uns nur das Grundwissen und (freiwillige) Werkzeuge an die Hand gibt, will uns auch das Radical Unschooling unseren eigenen Weg finden lassen. Vor diesem Hintergrund liest sich der Inhalt ein wenig anders.

Was bleibt, ist der fade Beigeschmack, ein sehr wenig strukturiertes Buch vor sich zu haben. Was ausserdem bleibt, ist die Frage, wie man das Radical Unschooling in ein ganz normales deutsches Leben einbauen kann. Immer wieder dachte ich mir, dass es unglaublich toll klingt, was Frau Martin schreibt – aber wie soll man das denn in Deutschland mit Schulpflicht machen? Und wie, wenn man zumindest halbtags arbeiten geht? Oder sogar ganztags? Das passt nicht in das Bild, das Dayna Martin zeichnet. Was ebenfalls ein wenig aufstößt, ist das Kapitel zum Gesetz der Anziehung, das ist einfach ein wenig zu esoterisch für die meisten von uns, auch wenn Dayna Martin damit natürlich recht hat.

Aus dem Buch herauslesen kann man aber dennoch sehr viele Gedanken und Ideen, einen „unkonventionellen“ Umgang mit seinen Kindern zu pflegen. Da es eben nicht um Rezepte und Vorschriften geht, kann jeder für sich selbst mitnehmen, was aus dem Radical Unschooling in das eigene Leben passt und wie man die Ideen für sich ganz individuell umsetzt und in ein deutsches Leben einbaut. Radical Unschooling scheint so etwas wie die Fortsetzung der Gedanken und Grundideen des AP in die Welt größer werdender Kinder. Und das macht es lesenswert für alle, deren AP-Kinder aus dem Babyalter herausgewachsen sind und die sich fragen, was danach kommt.


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