Es ist schon eine Weile her, da fand ich in meinem Email-Postfach die Anfrage des Journalisten Sven Heitkamp, der ein Interview mit mir machen wollte zum Thema Attachment Parenting.
Wir telefonierten also eine ziemlich lange Weile, und Heitkamp stellte mir viele Fragen, über die ich mir teilweise selber noch keine ernsthaften Gedanken gemacht hatte. Wir leben ja das „Konzept AP“ einfach und es hat sich vieles eben einfach so entwickelt, da haben wir nur wenig drüber nachgedacht, was das mit AP zu tun hat. Daher fand ich manche Fragen spontan recht schwierig zu beantworten. Dennoch machte das Interview viel Spaß – ich liebe es ja, wenn mir durch (schwierige) Fragen auch neue Denkanstöße gegeben werden. 😉
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Öko-Test ist dieses Interview nun in Auszügen abgedruckt und ich finde den Artikel recht gut gelungen, auch wenn ich das Gefühl habe, dass entweder ich oder die zitierten Kritiker AP nicht richtig interpretieren.
Nicola Schmidt, von der ich sehr viel halte, die ich gerne lese und die einfach wunderbare Texte über glückliche Babys schreibt, sagt in dem Artikel, „(s)ie sei sehr für Bindungsorientierung – doch gegen das Märchen, dass man mit AP perfekte Kinder zaubern könnte.“ Ich persönlich sehe AP nicht als DAS Zaubermittel für perfekte Kinder und auch Sears schreibt das so nicht in seinem „Attachment Parenting Buch„. Er beschreibt darin AP als Werkzeugkasten, aus dem man sich rausnimmt, was für die eigene Familie passt und sich stimmig anfühlt und eben mal versucht, was zum eigenen Lebensstil passt und für die eigene Familie hilfreich und gut ist. Er schreibt zumindest bewusst nirgendwo in seinem Buch, dass man mit AP irgendwelche Knöpfchen hätte, die man nur richtig drücken muss und dann bekommt man Kinder erster Güteklasse.
Zitiert wird auch Entwicklungspsychologin Heidi Keller, die AP bezeichnet als „eine gut vermarktete Mittelschichtsideologie für Eltern mit lediglich ein oder zwei Kindern, die aber keine fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. In bildungsfernen, ärmeren Familien und anderen Kulturen sei AP überhaupt nicht anwendbar.“ Ob ich zur sog. Mittelschicht gehöre, kann ich nicht einschätzen, aber ich habe definitiv und nachgewiesenermaßen mehr als nur ein Kind. Wir leben AP auch nicht als Ideologie, es gehört für mich einfach dazu, meine Kinder als Menschen anzusehen – und zwar als Menschen mit den gleichen Rechten und Pflichten wie ich als „Erwachsene“, dabei jedoch nicht als „kleine Erwachsene“, sondern eben eigenständige Persönlichkeiten. Spannenderweise leben viele andere, bildungsfernere Kulturen AP, ohne überhaupt drüber nachzudenken – und das, ganz ohne diese „gut vermarktete Ideologie“ zu kennen oder nur ein oder zwei Kinder zu haben.
Und es geht übrigens auch nirgendwo beim AP darum, dass die „Eltern bei jedem kleinen Pieps der Kinder „Super!“ rufen.“ Sie wird weiter zitiert, dass man mit AP Kinder abhängig macht von Aufmerksamkeit, die immer im Mittelpunkt stehen wollen und man „produziere eine Gesellschaft voller Individualisten“. Meine Kinder haben schon früh gelernt, dass sie in einem sozialen Verband leben, in dem eben nicht nur sie im Mittelpunkt stehen, sondern in dem die Bedürfnisse aller Mitglieder geachtet werden. Auch das ist nämlich AP: ALLE haben Bedürfnisse und die müssen und sollen eben auch alle beachtet werden. Meine Kinder sind nicht als Indiviudalisten aufgewachsen, sie sind hervorragende Teamplayer, denn unsere Familie sah sich von Anfang an als Gemeinschaft, als Team, in dem jedes Mitglied seinen Platz hat.
Von „Prinzessinnen und Prinzen“ sind sie weit entfernt, das sind dann eher die Einzelkinder aus Familien, in denen sie mit allem überhäuft werden, eben das, was der ebenfalls zitierte Winterhoff als Überbehütung und „grobe Missachtung der Persönlichkeit der Kinder“ beklagt. Das hat mit AP ebenfalls nichts zu tun. „Von Menschen, die selbst Verantwortung übernehmen, sei man mit diesem Erziehungsansatz weit entfernt.“ Ich empfehle mal das aufmerksame Studium des „Attachment Parenting Buches“, am besten, ehe man halbinformiert über einen „Erziehungsansatz“ redet oder schreibt, wie Winterhoff das tut.
Wie gesagt, entweder interpretiere ich AP falsch, oder aber die zitierten Kritiker in der Öko-Test tun es. Vielleicht hatte ich auch nur Glück mit meinen Kindern und sie haben sich trotz AP so gut entwickelt? Hmmm….
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